Im Halböffentlichen / In the Semi - Public

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The gardens right by the Kanal had been built as a sort of display, demonstrating functionality and well-being of the lucky workers who obtained a piece of designed nature within the moloch of industrialization. This kind of display as an active construction of reality comes in rather macabre considering that the Aktiengesellschaft Baumwollspinnerei was cultivating vast stretches of land around Sadani, in what is Tansania today in the former colonies, efforts to execute an imaginative order of things and beings cutting of pre-existing relations and intra-actions., What sorts of functions and orders do we ourselves display and enact in everyday life within behaviours, building of spaces and language, reproducing the production of colonial reality construction and how do we intra-rupt them considering that the stage and the state of being exposed is not something limited to the realm of theatre but something that traverses all matters and mattering. (The endless drama). In a society where “programmed coincidence” is a common term in any sort of architecture. The Spinnerei factory of early industrialization already dissolved the private realm by planning and organizing by means of time and space every move of the workers.

 

Im Halböffentlichen / In the Semi - Public

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The gardens right by the Kanal had been built as a sort of display, demonstrating functionality and well-being of the lucky workers who obtained a piece of designed nature within the moloch of industrialization. This kind of display as an active construction of reality comes in rather macabre considering that the Aktiengesellschaft Baumwollspinnerei was cultivating vast stretches of land around Sadani, in what is Tansania today in the former colonies, efforts to execute an imaginative order of things and beings cutting of pre-existing relations and intra-actions., What sorts of functions and orders do we ourselves display and enact in everyday life within behaviours, building of spaces and language, reproducing the production of colonial reality construction and how do we intra-rupt them considering that the stage and the state of being exposed is not something limited to the realm of theatre but something that traverses all matters and mattering. (The endless drama). In a society where “programmed coincidence” is a common term in any sort of architecture. The Spinnerei factory of early industrialization already dissolved the private realm by planning and organizing by means of time and space every move of the workers.

 

Was hat Elisabeth Lenk mit den Gärten der Baumwollspinnerei zu tun?

Über die Kopfhörer hören Sie das Kapitel „Exkurs über Raum und Zeit als
gesellschaftliche Ordnungsprinzipien” aus Lenk`s Buch „Die unbewußte
Gesellschaft. Über die mimetische Grundstruktur in der Literatur und im Traum”.


Bevor wir zu den Gärten kommen, hier eine kurze Einführung, in die im Text
formulierten Gedanken, mit denen wir uns in diesem Projekt befassen.
Das Buch entstand aus der Beschäftigung mit dem V erhältnis von Traum und
Literatur (Literatur und Gesellschaft/T raum und W achen) und untersucht die
Traumform als Ursprung der menschlichen Subjektivität. Im V erlauf des Textes
formuliert sie Traumform und Subjektivität als ein und dieselbe Sache. Diese Sache
entzieht sich letztlich einer Erzählung von Ursprung und Zukunft, destabilisiert diese.
Sie beschreibt die archaische Subjektivität als fließende lebendige Raumzeit , welche
keine Unterscheidung von Raum und Zeit kennt. Erst die Trennung der Raumzeit
produziert die Isolation von Innen und Außen als entgegengesetzte und
unvereinbare Dichotomien.
In diesem Zusammenhang hinterfragt sie die, maßgeblich vom Philosophen
Immanuel Kant als unveränderlich vorausgesetzten, Formen der Anschauung, Raum
und Zeit, auf ihre geschichtliche Bedingtheit hin.
So wie sich auch menschliche Produktions-, Denk- und W ahrnehmungsweisen
verändern, sieht sie auch Raum und Zeit als veränderliche Formen der Anschauung.
Im Gespräch über die Raumzeit (T raumform) wird die Trennung von Raum und Zeit
als Prozess beschriebe. Im Gegensatz zur Idee von Raum und Zeit als a priori
unterscheidbare funktionale (Maß)-Einheiten.
Der ursprüngliche körperähnliche und doch unendliche Zeit-Raum wurde in einen
geometrischen anorganischen Raum verwandelt.
Die Ordnungsprinzipien funktionieren nur , wenn man sie streng auseinander hält.
Um das zu gewährleisten muss alles Irrationale, Lebendige alles Leibhafte was mit
dem Raum verbunden war von ihm abgerissen.
Diese Operationen, welche man auch als Projekte der Moderne beschreiben kann,
haben die Fiktion des leeren Raumes hervorgebracht und versucht das moderne
Subjekt als ir-relationale Vereinzelung in einer W elt herzustellen, in der das
Lebendige eine Frage der V erwertbarkeit darstellt. Heute können wir an Lenk
anschließen und sehen, dass die Operationen nicht vollzogen werden konnten.
In Bruno Latours W orten: „Wir sind nie modern gewesen.” Die westlichen
Gesellschaften haben sich nie vom Mythos emanzipiert, sondern diesen nur
topologisch verzerrt und ins Unbewusste verschoben. Unsere Körper lassen sich
nicht trennen und herauslösen aus dem V erbund des Lebendigen.
Anstelle nun von einer Rückkehr zu einem spezifischen Bewusstsein, oder einer
heilsbringenden Zukunft zu sprechen geht es vielmehr darum zu fragen „W o ist es,
wo wir sind?“ und in was für einem oder mit was für einem trans-lokalen,
trans-temporalen Zeitraum bewegen wir uns?
Es gibt eine V ielzahl internationaler AutorInnen, die hier angeführt werden könnten.
Lenk`s Text haben wir auf Grund ihrer zeitlosen Beschäftigung und
Ent-Funktionalisierung/De-Rationalisierung der Traumform und der dieser Form
inhärenten mimetischen Nähe zur Kunst ausgewählt.
Ihre Auseinandersetzung ist gleichzeitig spezifisch wie universell und beschreibt
dadurch unserer Ansicht nach spielerisch, subversiv die Ausdehnung der
beschriebenen Operationen, sowie das Potenzial diese zu dekonstruieren.
D i e G ä r t e n
Die Gärten der Baumwollspinnerei veranschaulichen das beschriebene V orgehen.
Das Platzieren und Konstruieren im vermeintlich leeren Raum der industriellen
“Urbarmachung”. Der Raum wird hierarchisch in einer in sich isolierten Logik von
Effizienz und Kontrolle angelegt, welche das menschliche Subjekt konsequent als
arbeitendes Subjekt im V erhältnis zur Produktion/Leitung hin organisiert.
Die Unternehmungen der Baumwollspinnerei im heutigen Tansania applizierten in
ähnlicher Form die Fiktion des “leeren Raumes”. Das “Wilde” wurde urbar gemacht
ungeachtet der tatsächlichen Fülle von bestehenden Beziehungen und Lebewesen.
Wie eine Bühne sind die Gärten am Kanal zentralperspektivisch zur Fabrik hin
ausgerichtet und fungieren hier als halböf fentliche Rückzugsorte, die gleichzeitig die
inhärenten Strukturen der Fabrik repräsentieren. Die Uhren der Fabrik strukturieren
gewaltsam die Zeit, entsprechend der Produktion und Kalkulation, ungeachtet der
subjektiven Raumzeit. Jahrzehntelang müssen die ArbeiterInnen für minimale
Anpassungen an die Kapazitäten und Bedürfnisse der Körper kämpfen.
Wir recherchieren aktuell ob eine der Uhren auf dem Fabrikgelände, die Zeit in den
Kolonien wiedergab, was ein translokale V erbindung und eine transtemporale
Ordnungsfunktion in ihren Anfängen darstellen würde
Das sumpfige Terrain im heutigen Plagwitz wurde durch den Karl-Heine-Kanal
trocken gelegt und für die Produktionsverfahren der Großindustrie umgegraben und
strukturiert. Der dünne Boden der Gärten enthält all die Sedimente dieser
Umstrukturierung, sowie die Abfälle der umliegenden Industrien.
In diese Landschaft wurden Gärten gesetzt. Die Gärten sind die ersten V ersuche in
die zersetzen und verschlossenen Oberflächen der Industrie eine Idee von Natur
einzuführen. Hier ist besonders diese Idee von Natur interessant, deren Erfindung in
diesem Anfang von Urbanisierung als Ef fekt der Industrialisierung möglich wurde
und auch notwendig für die Konzepte der beschriebenen Produktion.
Es wird also von einer kultivierten Landschaft gesprochen anstelle einer natürlichen
Landschaft, in welche, wie in einen weiteren leeren Raum Natur gesetzt wird. In
dieser Konstruktion muss das, was so als Natur konzipiert wird, als absolut
artifizielles erscheinen, somit sind schon an diesem Punkt die Begrif fe gefangen in
paradoxen Binaritäten. Besonders wird das in den Gärten/Lauben an den verbauten
Rundhölzern sichtbar , welche entgegen einer Logik von Nachhaltigkeit mit Rinde
eingesetzt wurden. Im Kontext der beschriebenen funktionalen Idee von Natur , ist
diese Entscheidung wiederum sehr gut nachvollziehbar , weil hier das ästhetische
Prinzip ein äquivalentes Maß an Funktionalität erfüllt.
Diese umgegrabene, gestampfte, geschüttete, aufgebrochene Landschaft, die man
als Kultur beschreibt, ist wie wir heute lernen nicht das Gegenteil von Natur , sondern
bleibt Natur . Weder die Landschaft noch die Körper , menschliche oder jedwedes
anderen belebten W esens, sind jemals außerhalb der Natur:
“ Maybe culture was nature all along…(V ielleicht war Kultur schon immer Natur)”

Soundfile aus der Ausstellung

Text Elisabeth Lenk, vorgelesen von L. Pfalzer

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EN

Irene: It was a sunny afternoon in July. We had invited scholars and students to come to the garden to participate in a performance entitled In the semi-public, last event in the lecture series Beyond debates: de/colonial practices in and across academia, jointly organized by the Institute of African Studies and the Institute of Anthropology, When I entered the garden, the guests had not arrived yet. I felt the calm, the mild weather and the perfect light illuminating that space. I breathed. In the shade of the arbor.

DE

Irene: Es war ein sonniger Nachmittag im Juli. Wir hatten Wissenschaftler und Studierende in den Garten eingeladen, um an einer Performance mit dem Titel „In the semi-public“ teilzunehmen, der letzten Veranstaltung der Vortragsreihe „Beyond debates: de/colonial practices in and across academia“, die gemeinsam vom Institut für Afrikastudien und dem Institut für Anthropologie organisiert wurde. Als ich den Garten betrat, waren die Gäste noch nicht da. Ich spürte die Ruhe, das milde Wetter und das perfekte Licht, das diesen Raum erhellte. Ich atmete auf, im Schatten der Laube.

KNACK Garten Dezember 2022

Hinweisschilder mit QR-Codes verweisen auf die Internetseite und
auf die Ausstellung im Archiv Massiv der Spinnerei Leipzig

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